Martin Liepach / Gottfried Kößler
Kaiserreich - Weimarer Republik - Antisemitismus
Impulsreferate auf der Tagung
Integration und Ausgrenzung Deutsch-jüdisches Zusammenleben in der Geschichte. Erarbeitung neuer Sichtweisen für den Unterricht
Seminar der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, in Zusammenarbeit mit dem Verband der Geschichtslehrer Deutschlands und der Moses Mendelssohn Akademie Halberstadt Halberstadt 15. – 17. April 2007
Leitfragen
Wie lässt sich die Geschichte der Juden im Kaiserreich und in der Weimarer Republik erzählen, ohne dass sie als Sondergeschichte erzählt wird?-
In welchem Verhältnis sollen Quellen über Integration bzw. Ausgrenzung zueinander stehen?
Ist die Entwicklung einer geschlossenen Erzählung über die Geschichte der Juden der richtige Weg oder ist es didaktisch sinnvoller, jüdische Themen in die Gesamtdarstellung einzubauen?
An welcher Stelle bzw. zu welchem Zeitpunkt sollte Antisemitismus als thematischer Ge-genstand eingeführt werden?
Wie fügen sich soziale und religiöse Ausdifferenzierung der Juden und Anspruch einer Integrationsgeschichte zusammen?
Wo erscheint Ihnen eine europäische Perspektive sinnvoller als die nationale?
Soll die Vermittlung der jüdischen Geschichte didaktisch vom Holocaust her konzipiert werden oder soll sie bis 1933 als Emanzipations- und Integrationsgeschichte vermittelt werden?
Martin Liepach
Identität und kategoriale Zugriffe auf die Geschichte der Juden im Kaiserreich und in der Weimarer Republik
Impulsreferat in Stichworten
Kategorien sind grundlegende und allgemeinste Begriffe. Kategorien als fundamentale Bestimmungsgrößen des historischen Lernens Zugang über Kategorien folgende geschichtsdidaktische Kategorien:
a) Verstehen und Erklären b) Identität / Identifikation c) Veränderbarkeit (Wandel, Prozess) d) Alltag und Kultur
Zu a) Erklärung, warum die deutsch-jüdische Geschichte, sich nicht auf eine Opfergeschichte re-duzieren lässt U.a. Anspruch auf umfassende, angemessene historische Darstellung (Per-spektivwechsel); vgl. auch Orientierungshilfe
Zu b) • Ausprägung von Identitäten im Kaiserreich (Centralverein, Zionisten); • Verstärkung der Identitätsdebatte in der Weimarer Republik (u.a. durch Ostjuden und Natio-naldeutsche Juden); • Multiple Identitäten: geschlechtlich, national, religiös, ethnisch, sozial; • Identität: - Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung thematisieren; Antisemitismus als Form der Fremdzuschreibung; Identifikation mit a) Gesellschaft; b) Staat; Bsp Zäsur: Judenzählung 1916
Zu c) • Soziale Wandlung im dt. Kaiserreich: soziale Ausdifferenzierung der Juden; • Industrialisierung: Take-off-Phase, Chancen werden in der 1. Industrialisierungsphase ge-nutzt; ebenso in der 2. Phase (Wilhelminische Ära); • Rolle von jüdischen Unternehmern und Bankiers; bisher kaum ein Thema in Schulgeschichtsbüchern; ökonomische Macht ungleich politische Einflussnahme (Bsp. Bleichröder)
Zu d) • Kultur der Weimarer / Kultur der Moderne • Wissenschaftlicher Erfolg von Juden, insbesondere im Kaiserreich; • Alltag: Herausbildung der bürgerlichen Gesellschaft; Jüdische Familien als Prototyp bürgerli-cher Familien; Stellenwert von Bildung; finanzielle Ausstattung und Repräsentation von „Bürgerlichkeit“; • Beziehungen zwischen Juden und Nichtjuden; Tätigkeiten und Engagement in Vereinen; • Antisemitismus: Berliner Antisemitismusstreit; Wahlerfolge antisemitischer Parteien im Kai-serreich; Radikalisierung des Antisemitismus in der Weimarer Republik; • Sinnvoll zu überlegen, was integrativer Ansatz bedeutet. • Integrativer Ansatz bedeutet nicht, jüdische Geschichte passgenau in einen wie auch immer gearteten Kanon deutscher Geschichte einzupassen. Vielmehr kategoriale Reflexion über das, was integrativer Ansatz bedeutet.
Zum Referat von Gottfried Kößler: hier.
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