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Chanukka-LeuchterChanukka-Leuchter Frankfurt a.M. 1680 - Jüdisches Museum Frankfurt

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AG Deutsch-Jüdische Geschichte

im

Verband der Geschichtslehrerinnen und -lehrer


Deutsc
hlands (VGD)

Quellen zur Frühen Neuzeit (16. und 17. Jh.):

16. Jahrhundert:  Christen, Juden und das Geld (1. Teil)

2. Teil: 17. Jh. auf der >nächsten Seite

Nachfolgende Bild- und Textquellen in diesem und dem nächsten Teil thematisieren das Geld-, Zins- und Wucher-. thema zwischen Juden und Christen im 16. und 17. Jh. Es wird deutlich, wie jüdische und christliche Geldverleiher/ Bankiers  in Konkurrenz zueinander standen und auch so wahrgenommen wurden, bzw. wie sie auch zusammenarbeiteten.
Für antijüdische und antisemitische Vorurteile damals und bis heute stellt das Geld- bzw. Wucherthema einen entscheidenden Faktor dar. Es geht auf die falsche Vorstellung vom kanonischen Zinsverbot zurück, wonach den Christen von der Kirche das Zinsnehmen verboten gewesen sei und die Geldleihe somit zu einem exklusiven Geschäft der Juden geworden sei und bei ihnen eine Affinität zum Geld bis heute bewirkt habe.

Auf verschiedenen Seiten haben wir Dokumente und Analysen zum Geldthema im Mittelalter eingestellt:
Ausgehend von einem überarbeiteten Vortrag auf unserer Tagung in Halberstadt 2007 gibt es eine aktualisierte bibliographische Auflistung von Publikationen zum Thema  hier: >Geldverleiher
Auf unseren Mittelalterseiten gibt es Quellen zum Verhältnis der Kirche zum Judentum, so auch die diesbezüglichen Beschlüsse des IV. Lateranischen Konzils 1215, die in vielen Publikationen und im Internet falsch wiedergegeben werden: >Mittelalter 1
Außerdem eine ganze Seite zur Sozialgeschichte seit dem 6. Jh., Christen: Juden und der Geldverleih: >Mittelalter 2

Zum Geld-und Kreditwesen im Mittelalter gibt es Quellen und Analysen auf einer Themenseite von Historia Universalis.

Auf dieser Seite:

1.  Seite aus Ciceros “De officiis” in der Version von Schwarzenberg, 1533
2. Seiten aus Jost Ammanns “Ständebuch”, 1568
3. Aus der “Erläuterung zu den zehn Geboten” im Druck von Grüninger, 1516
4. Auszug aus Sebastian Brandts “Narrenschiff”, 1494
5. Hinweis auf Bücher mit dem Titel “Der Judenspieß” aus dem 16. und 17. Jh.
6. Auszug aus Pertrarcas “Trostspiegel”, 1572

1.  Seite aus Ciceros “De officiis” in der Version von Schwarzenberg, 1533

Geldverleiher_Officia_1533

Officia M. T. C. : Ein Buch so Marcus Tullius Cicero der Römer zu seynem Sune Marco Von den tugentsamen Ämptern und zu gehörungen ... inn Latein geschriben. Memorial der Tugend, S. 123.

Herausgegeben von Johann von Schwarzenberg, übersetzt von Johann Neuber, Augsburg (Steiner) 1533. Das Digitalisat, dem allerdings das Titelblatt fehlt, gibt es beim Münchner Digitalisierungszentrum.

Erläuterung/Erklärung zum Bild/Text:
Diese bekannteste Darstellung eines jüdischen Geldverleihers hat sich in der Literatur und im Web vollkommen verselbstständigt, keine einzige der genannten Quellenangaben, die ich bisher gefunden habe, ist exakt bzw. ausreichend, nicht einmal die im Buch von Schreckenberg (falsche Jahreszahl). Die Illustration findet sich ausschiießlich in dieser erweiterten Ausgabe von Texten Ciceros (“Memorial der Tugend”), der entsprechende Teil fehlt in den anderen zahlreichen Ausgaben der 1530er und 40er Jahre ganz.
In den Interpretationen, die sich alle außer bei Schreckenberg nur auf das Bild als solches, ohne die dazugehörige Ãœberschrift beziehen, wird der Darstellung eine Kritik am jüdischen Geldverleih zugewiesen, symbolisiert durch die fordernde Hand des Kunden. Tatsächlich ist die dazu gehörende Ãœberschrift, quasi als Bildlegende, ganz neutral gehalten, wie Schreckenberg betont: „Ich bitt euch jud leicht mir zur hand / bar gelt auff bürgen oder pfand; Was euch gebürt gebt mir verstand.“
Allerdings muss der übrige Kon-Text auf der Seite auch berücksichtigt werden. Daraus geht eine klare Verurteilung „wucherlicher Missethat“ hervor, doch ist dies nicht spezifisch antijüdisch gemeint, sondern gegen den Wucher schlechthin. Auch die Anrede “Ich bitt euch jud” enthält keine antijüdische Note. Gleichwohl steht hier der jüdische Geldverleiher stellvertretend für die kritisierte Wucherpraxis. Ciceros Buch wurde nicht nur an dieser Stelle “adaptiert”, d.h. letztlich auch verfälscht, denn Cicero hatte die jüdischen Geldverleiher noch nicht im Blick.


Johann von Schwarzenberg auf Wikipedia; Deutsche Biographie

Heinz Schreckenberg: Die Juden in der Kunst Europas. Ein historischer Bildatlas. Göttingen (V&R) / Freiburg (Herder) 1996, S. 314.

 

2. Aus der “Erläuterung zu den zehn Geboten” im Druck von Grüninger, 1516

Baldung 9. Gebot

[Marquard oder Marcus von Lindau]: Die zehen gebot in disem büch erclert und ußgelegt durch etlich hoch berümbte lerer / Und fragte der jünger den meister / der lert wie man die gebot gottes halten und sich vor todsünde hüten sol / ... Straßburg 1516, von Hans von Wildeck genannt Warmont, gedruckt von Johannes Grüninger. Illustration zum 9. Gebot von Hans Baldung Grien, S. 54a.

Münchner Digitale Sammlungen

Es handelt sich um ein handschriftliches Buch aus dem 14. Jh., das schon vor der Erfindung des Buchdrucks in zahlreichen Abschriften zirkulierte, aber durch den Buchdruck eine neue Konjunktur erfuhr. In dieser Ausgabe präsentiert ein gewisser “Hans von Wildeck genannt Warmont” das Buch im Vorwort, die Illustrationen sind neu hinzugekommen.

Erläuterung/Erklärung zum Bild und Kontext:
Das Buch ist eine Erläuterung der Zehn Gebote für den gesellschaftllchen Kontext der Zeit und zeigt für seine Entstehungszeit eine sehr “moderne” Struktur, wie sie wohl von der Rezeption der Antike inspiriert wurde, indem nämlich die Gebote im Dialog zwischen “Meister” und “Schüler” diskutiert werden. Dabei geht es um keine scholastische Darlegung der Lehre, sondern auch um die Frage, was die Gebote nicht meinen, wie man sie falsch verstehen könne. So fragt der Jünger zum 9. Gebot, ob es auch Totdsünde sei, wenn “so ein Mensch begert ander lüt güt und es doch ungern wider gott mitt unrecht haben wolt” (S. 54b), was der Meister verneint: “Das ist nicht todsünd, dazu fellet einem menschen yn begird zü einem ding [...]”. Zur Todsünde gehört also die Begierde und es werden Umstände akzeptiert, in denen man eines andern Gut “begehrt” ohne es zu wollen. Im weiteren wird jedoch erklärt, dass man den Armen nichts nehmen sondern ihnen vielmehr geben müsse nach christichem Gebot  (S. 55s). Der Dialog geht dann noch in theologisch-philosophische Tiefen vom richtigen Leben, der Bezug zum Geldverleih bleibt also interpretationsbedürftig, zumal die Illustration im Original ja nicht dabei war. Im 14. Jh., das ja als die Ära der “kommerziellen Revolution” gilt, trotz der einschneidenden Katastrophe in der Jahrhundertmitte durch die Pest, war der Wucher schon längst als Ãœberschreitung einer festgelegten Grenze definiert, die um die 6% zirkulierte, ein Satz, der schon in der Spätantike im Codex Iustinianus festgelegt war. In der “Reichspolizeiordnung” von 1530 wurde dies einheitlich auf 5% festgesetzt. Wer sich in diesem Rahmen hielt, so die naheliegende Interpretation des Bildes, war also redlich, wer darüber hinaus Wucher betrieb, begehrte willentlich und zu Unrecht des Nächsten Hab und Gut.
Im Vergleich mit dem späteren Bild aus dem Cicero-Buch zeigt sich hier ein spiegelverkehrte Inszenierung: Der Geldverleiher ist Christ und sitzt linker Hand, der Kunde (hier gefolgt von einem zweiten) hebt die Hand mit derselben Geste. Abgesehen von ein paar weiteren Details (den Säcken auf dem Tisch statt dem Rechenbrett) könnte dieses Bild dem späteren mit dem jüdischen Geldverleiher als Muster gedient haben.

Marquard oder Marcus von Lindau (1320/30-1392), Franziskaner, eigtl. Autor des Buches, das hier mehr als ein Jahrhundert später unter anderem Namen gedruckt wurde. >Wikipedia, >Deutsche Biographie

Zu Hans von Wildeck gibt es im Internet keine genaueren Informationen.

Hans Baldung Grien (1484/85-1545), Maler, Zeichner und Kupferstecher  >Wikipedia

Kopie  des Buches von Marquard von Lindau / Heinrich Seuse aus dem 1. Viertel des 15. Jh.: Auslegung der zehn Gebote >Münchner Digitale Sammlungen

Im Codex Iustinianus (4.32.26) aus dem Jahr 534 wurde der erlaubte Zinssatz für Beamte, ide Geld verliehen, auf monatlich 0,33%, für Kaufleute auf 0,66%, bei Überseegeschäften 1%.
>Opera Platons

 

Reichspoliceyordnung von 1530: “Von wucherlichen Contracten” >Wikisource (Suche: Keyserlicher Maiestat Ordnung vnd Reformation)


3. Seiten aus Jost Ammans “Ständebuch”, 1568

Ammann_Der_Jud
Ammann_Der_Geltnarr

Aus:

Eygentliche Beschreibung Aller Stände auff Erden / Hoher und Nidriger / Geistlicher und Weltlicher / Aller Künsten / Handwercken und Händeln / u. vom größten bis zum kleiesten / Auch von irem Ursprung / Erfindung und gebreuchen
Durch den weitberümpten Hans Sachsen
Ganz fleissig beschrieben / und in Teutsche Reimen gefasset / Sehr nutzbarlich und lustig zu lesen / und auch mit künstreichen Figurren / deren gleichen zuvor niemands gesehen / allen Ständen so i diesem Buch begriffen / zu ehren und wolgefallen / Allen Künstlern aber / als Malern / Goldschmiden / u. zu sonderlichem dienst in Druck verfertigt
Mit Röm. Keyd. Maiest. Freyheit
Gedruckt zu Franckfurt am Mayn M.D. LXVIII.

Am Ende des Buches Ergänzung: Gedruckt zur Franckfurt am Meyn / Bey Georg Raben / in verlegung Sigmund Feyerabents

Nachduck:
Jost Ammann’s Stände und Handwerker, mit Versen von Hans Sachs, München bei Knorr und Hirth 1884.

https://archive.org/details/b24852429, pdf S. 77, 237

Jost Ammann war ein 1539 in Zürich geborener Zeichner, Kupferstecher und Formschneider und kam 1561 nach Nürnberg, wo er 1577 das Bürgerrecht erhielt und 1591 starb. Er somit an der technischen Produktion des Buches beteiligt und trat zunächst nicht als Autor auf.
Im Nürnberger Religionsfrieden 1532 durch Karl V. wurde die Acht über die Protestanten aufgehoben und in der freien Reichsstadt des Kaisesrs lebten Protestanten und Katholiken nebeneinander. Dies war vermutlich ein Grund für die Emigration Ammanns aus Zürich, der katholisch blieb und als ersten Eintrag in seinem Ständebuch ein Lob auf den Papst ausbrachte. Mit der Umsiedliung nach Nürnberg begab er sich ein damaliges Zentrum der  Bildung und Buchdruckerkunst.

Hans Sachs wurde 1494 in Nürnberg geboren und starb dort 2576. Schuhmacher von Beruf, aber auch Absolvent der Lateinschule, entdeckte aber früh seine Passion fürs Singen und Dichten. So wurde er Mitglied der “Nürnberger Meistersinger” volkstümlicher Dichter. Sein frühes Eintreten für die Reformation brachte ihm erst Schreibverbot, bis sich der Protestantismus 1529 in Nürnberg festsetzte. Die Zusammenarbeit mit Ammann für das Ständebuch, für das er die Texte in Gedichtform schrieb,  darf daher auch als Beispiel gelungener Kohabitation zwischen Katholiken und Protestanten in Nürnberg gelten..

Auszug aus dem Vorwort (ins heutige Deutsch übertragen):
“Deshalb soll jedermann in seinem Stand, Beruf oder Handwerk, in das ihn Gott gesetzt hat, gut zufrieden sein und getreu darin fortfahren in Anbetracht dessen, dass auch der geringste und ärmste Mensch, er sei welchen Wesens, Ranges oder Standes er wolle, bei der göttlichen Majestät nicht vergessen ist. Wie denn in diesem Büchlein von allen Ständen, hohen und niedrigen, geistlichen und weltlichen (mittels ihres Inhalts) eine gründliche und genaue Beschreibung gegeben wird, so vom Kaiser, von Königen, dem Papst usw. Von den Hochgelehrten und ihren üblichen Rängen, von den freien Künsten, von verschiedenen Handwerken, vom größten bis zum kleinsten, vom Anfang der Welt bis auf die jetzige Zeit, wie sie im menschlichen Leben nötig und gebräuchlich sind, mit ihrem Ursprung, ihrer Erfindung und weiteren Eigenarten.”

Erläuterung/Erklärung zu den Bildern/Texten:
Ammans und Sachs’ Ständebeschreibung umfasste nicht nur die im zitierten Vorwort beschrieben ehrbaren hohen und niedrigen Stände und Berufe, sondern auch einige Karikaturen im Sinne des “Narrenschiffs” von Sebastian Brant. Der Geltnarr eröffnet diese Reihe von “Narren” am Ende des Buches. Der Jud ist dagegen im vorderen Teil zwischen dem Krämer und dem Münzmeister, Berufe, die Juden auch ausüben konnten, letzteres mit fürstlichem Privileg. Der Pfandleier hier gibt nur die Hälfte des Wertes des Pfands als Kredit und hofft darauf, dass es nicht eingelöst wird. Die Erklärung dafür äußert auch eine heftige Kritik an der christlichen Umwelt, die mit “Feiern, Fressen und Saufen” ihr Geld verschleudert. Dies passt in die Moraldebatte der Zeit. Durch diese selbstverschuldete Verschuldung werden die Juden jedoch die Gesellschaft zugrunde richten, so kann man den Schluss interpretieren. in diesem Kontext sticht Der Jud also negativ heraus, im Vergleich mit dem Geltnarr ist er aber wieder auf einer Ebene. “Mit dem Judenspieß tu ich laufen” ist eine Redewendung, die bereits im “Narrenschiff” auftrat (siehe nachfolgend).


4. Auszug aus Sebastian Brandts “Narrenschiff”, 1494

Ammann auf Wikipedia

Vgl. auch Ständeliteratur auf Wikipedia

 

 

Hans Sachs auf Wikipedia

Narrrenschiff_Fürkauf

Aus:
Das Narrenschyff Gen Narragonien. ... gesamlet zu Basell: durch Sebastianú Brant. in beyden rechten doctor.

Am Ende des Buches Ergänzung: Gedruckt zu Basel uff die Vasenaht / die man der narren kirchwich neʼnet / Im jor noch Christi geburt Tusent vierhundert vier und nünzig

Nachdruck, Faksimile der Erstausgabe von 1494, Straßburg, Verlag von Karl J. Trübner, 1913, S. 248f.

https://archive.org/details/dasnarrenschiff01bran/page/n8

Erläuterung/Erklärung:
 
“Fürkauf” und Wucher waren eng miteinander verbunden. “Fürkauf” oder “Vorkauf” war die Tätigkeit des Zwischenhändlers und damit des Händlers schlechthin. Der Preisaufschlag durch den Handel war schon in der Antike Gegenstand der Kritik und der Händler daher z.B. bei Cicero schlecht angesehen. Der Händler wurde aber auch im Mittelalter zum Finanztransakteur, indem er sich selbst Geld lieh und/oder Geld verlieh. Ãœberzogene Zinsen, wie sie im Mittelalter an der Tagesordnung waren, waren daher Zielscheibe der Kritik (Wucher).

S. 249, Z. 18-22:

Gar lydlich wer der juden gesůch1
Aber sie mögen nit mer bliben
Die krysten juden2 / sie vertriben
Mit juden spieß die selben rennen

1  wörtl. “Gesuch” = Anliegen; Geschäft, hier insbes. “Judengesuch” = Wucher
2 die “Christenjuden” meint die Christen, die es den Juden gleichtun

 

 

 

 

Der “Judenspieß” war in der Frühen Neuzeit ein Ausdruck, der mit dem Wucher in Verbindung gebracht wurde. Der etymologische Ursprung ist unklar. Offenbar taucht der Begriff erstmalig im “Narrenschiff” auf und hatte dann im 16. und 17. Jh. Konjunktur, so auch in zwei Druckschriften unter diesem Titel aus dem 16. Jh. (unklar) und von 1688 (siehe unten),  die den Wuchervorwurf an die Juden massiv erneuerten, aber auch die Christen anklagten, die dem gleichen Geschäft nachgingen.

Dieser Vorwurf an die “Christenjuden” war nicht neu, so brachten schon Bernhard von Clairvaux 1146 und Thomas von Aquin 1270/71 das Problem zur Sprache, dass sich die “Kahorsen” und andere “der Verkehrtheit des Wuchers verschreiben” und “wir christliche Geldverleiher erdulden, die schlimmer sind als die Juden.” Siehe auf unserer Seite Mittelalter 1. Christlicher und jüdischer Geldverleih standen von Anfang an in Konkurrenz zueiander, siehe dazu unsere Seite Mittelalter 2.


vgl. Frühneuhochdeutsches Wörterbuch
Deutsches Rechtswörterbuch

Kahorsen: christliche Händler/Bankiers vermutlich aus der südfranzösischen Stadt Cahors, dann auch allgemeiner Name für christliche Geldverleiher

5. Hinweis auf Bücher mit dem Titel “Der Judenspieß” aus dem 16. und 17. Jh.

Judenspieß

Anonym, 16. Jh.? 22 Seiten.

Gedruckt zu Nürnberg durch Valentin Newber (= Neuber).

Die Deutsche Biographie gibt einen Nürnberger Drucker dieses Namens mit Todesdatum 1584 an. Das von der Bibliothek, die das Original für den Scan von Google besitzt, handschriftlich eingetragene vermutete Entstehungsdatum 1685 würde dann nicht stimmen. Sprache und Schreibweise weisen auch eher ins 16. Jh.

Judenspieß2

Anonym, 1688. Scan von Google, 240 Seiten.

Ausgehend von der Wucherfrage bringt das  Buch umfassender Vorurteile gegenüber den Juden zur Sprache und erörtert Probleme des Verhältnisses zwischen Christen und Juden in antijüdischer Perspektive.

Zur Realität von Geldverleih und Zinsen zwischen Christen und Juden im 17. Jh. siehe auf unserer folgenden Seite Teil 2.


6. Auszug aus Pertrarcas “Trostspiegel”, 1572

Trostspiegel1

Lat. De remediis utriusque fortunae / Heilmittel gegen Glück und Unglück (>Wikipedia)

Das Werk des berühmten italienischen Humanisten Francesco Petrarca (1304-1374)(>Wikipedia),  wurde mit Holzschnitten von einem bis heute noch nicht eindeutig identifizierten Formschneider , der deswegen der “Petrarcameister”(>Wikipedia) genannt wird, erstmalig für den Druck in 1532 in Augsburg hergestellt.

Cf. Moneymuseum

Trostspiegel2

Petrarcas Trostpiegel in Glück und Unglück, Frankfurt 1572, Kap. 56.

Francisci Petrarche / Von underrichtung in gutem glück [...] (Eintrag im Register)
Getruckt zu Franckfurt am Meyn / Bei Christian Egenolffs Erben. Anno M.D.LXXII.
Unmvollständig, mit fehlendem Titelblatt, MDZ Bibliothek

Der Textinhalt entspricht der Ausgabe von 1559, die unter dem Titel erschien:

Hülff/Trost und Rath in allem anligen der Menschen.
Francisci Petrarche/des hoch weisen/fürtrefflichen Poeten und Oratorn/zwei Trostbücher/Von Aarzney und Rath beide im güten und widerwertigen Glück.
Zu Franckfurt am Mein/Bei Christian Egenolffs Erben. M.D.LIX.
Google Books

Bei den Ausgaben handelt es sich um zwei Bücher in einem Band, eines über physiche Leiden und ihre “Arznei”, und das andere über moralische Ãœbel und wie man wieder auf den rechten Weg kommt, später “Trostspiegel” genannt.

Vgl. auch die Ausgabe von 1604 in der LB Coburg
Francisci Petrarchae Deß Weitberhümten Hochgelehrten fürtrefflichen Poeten unnd Oratorn Trostbücher
Von Rath, That, und Artzney in Glück und Unglück, Nemlich, wie sich ein jeder verständiger Mensch halten soll, In seiner Wolfahrt nicht uberheben, Deßgleichen in Unglück, Widerwertigkeit, Angst und Noth zutrösten wissen.

Allen ehrliebenden Regiments Personen / Haußvåttern / und jedermaniglichen / weß Standts sie seyn mögen / zu Nutz und Trost auß dem Lateinischen mit Fleiß verteutscht / und mit schönen Figurren gezieret / und in Truck von newem verfertiget.

Cum Gratia & Priuilegio Imperiali.
Getruckt zu Franckfurt am Mayn / Bey Johann Saurn / in verlegung Vincentij Steinmayers. Anno M.D.CIV.

Zu den Ausgaben:
Die Texte der Ausgaben wie auch die Titel variieren erheblich, so wurde die deutsche Ãœbersetzung von Petrarcas lateinischem Text, beide erstmalig im Druck 1532 in Augsburg erschienen, in den späteren Ausgaben deutlich verändert. Im Original findet ein ständige Dialog zwischen Freud und Vernunfft statt, der in den späteren Ausgaben auf eine Ausgangssituation reduziert ist und die Vernunft dann alleine weiterspricht. Z.B. findet sich in der Ausgabe von 1532 die Formulierung mit dem “Judenspieß” noch nicht, obwohl Sebastian Brant an der Ausgabe mitgewirkt hat.

Erstausgaben von 1532 deutsch > MDZ Bibliothek lat. > MDZ Bibliothek
Von der Artzney bayder Glck, des guten und widerwertigen : unnd we sich ain yeder inn Gelck und Unglck halten sol
Autor / Hrsg.: Petrarca, Francesco ; Chalybs, Peter ; Spalatin, Georg ; Petrarca, Francesco ; Chalybs, Peter ; Spalatin, Georg

Verlagsort: Augspurg | Erscheinungsjahr: 1532

Erläuterung/Erklärung zum Inhalt:
In einem literarischen Dialog zwischen Freud und Vernunfft, der in der latenisch-deutschen Erstausgabe von 1532 noch ausgeprägter ist (siehe Anmerkungen in der Marginalie oben), wird der Wucher mit Bezug auf die christliche Moral als Sünde verurteilt. Freud ist hier die Versuchung der Begierde, Vernunfft das Festhalten am Glauben. Für die Ausgabe von 1572 wurde der Text verändert und ergänzt, so taucht hier auch wieder der Begriff “mit dem Judenspieß rennen” auf. In der Passage wird beklagt, “daß schier jederman ein kauderer werden will/mit dem Judenspieß rennen/und den leuten eins über das herz geben”. Die Redewendung “eins über das Herz geben” meint wohl jenseits aller Skrupel (vgl. die heutige Redewendung in umgekehrtem Sinne “etwas nicht übers Herz bringen können”).
Der zitierte Satz bringt im Unterschied zum Narrenschiff und Ständebuch neben dem “Judenspieß” noch einen zweiten spezifischen Begriff, nämlich den “Kauderer”. Wie in der Anmerkung oben erklärt, war dies damals ein anderes Wort für Wucherer, und zwar genauer für “kleinen Wucher”, was man später dann  “Schacher” nannte. “Kauderer” bzw. das Verb “kaudern” geht ziemlich eindeutig auf die Bezeichnung für die Geldhändler im Mittelalter zurück, die in zahlreichen Wortvarianten vom Lateinischen cauvercini, caturcini u.ä. ins Deutsche als Gawertschen oder offensichtlich auch Kauderer kam. Neben den eindeutig zuzuordnenden Lombarden aus Norditalien treten sie in der Anti-Wucher-Literatur neben den jüdischen als christliche Wucherer auf und werden oft in einem Atemzug genannt. Der Ursprung des Namens ist umstritten und etliche Historiker sehen darin nur eine andere Bezeichnung für italienische Geldhändler, etymologisch allerdings auch unklar. Etymologisch naheliegender erscheint der Bezug zur südfranzösischen Stadt Cahors (lat. Cadurca).
Die Identifizierung der Gawertschen oder Kauderer ist jedoch für den vorliegenden Zusammenhang sekundär, denn unbestritten sind damit christliche Wucherer gemeint. So wurden auch schon Lombarden, Toskaner, Juden, Kauwertzen als Wucherer allesamt nebeneinander aufgezählt. Im vorliegenden Text wird damit der Ursprung des Wucher bzw. die Schuldzuweisung noch weiter relativiert und auf Juden und Christen gleichermaßen verteilt.

 

 

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Beginn des 2. Abschnitts:
Ich weiß nit ob ein schandtlichers ding auff erden sei/dann dises/daß schier jederman ein kauderer werden will/mit dem Judenspieß rennen/und den leuten eins über das herz geben/zeyget ein böses gemüt an.”

Kauderer - Wucherer im kleinen (Oberdeutsch)
Grimms Wörterbuch
Vermutlich eine Ableitung von den Geldwechslern vermutlich aus Cahors (siehe oben), die vom Lateinischen cauvercini auch Gawertschen genannt wurden, von einer lateinischen Variante caturcini lässt sich aber auch die Eindeutschung Kauderer ableiten.
Cf. Karl Dietrich Hüllmann: Staedtewesen des Mittelalters. Zweiter Teil. Bonn 1827, S. 43. MDZ Bibliothek

Vgl. Regelung der Zinshöhe in Zürich 1304 für Juden und Kaurtschin >Mittelalter 2

Cf. Johannis Georgii Scherzii Glossarium Medii Aevi [...]. Tomus Priol. Argentorati, MDCCLXXXL,S. 220, “Cowertschen”.
Google Books