Heide Bergfeld
Jüdische Aufklärung und Emanzipation im 18. Jahrhundert bis zum Wiener Kongress
Impulsreferat auf der Tagung
Integration und Ausgrenzung Deutsch-jüdisches Zusammenleben in der Geschichte. Erarbeitung neuer Sichtweisen für den Unterricht
Seminar der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, in Zusammenarbeit mit dem Verband der Geschichtslehrer Deutschlands und der Moses Mendelssohn Akademie Halberstadt Halberstadt 15. – 17. April 2007
„Ich verleugne in keiner Weise meine jüdische Herkunft, aber ich bekenne mich zu Deutschland. Ich bekenne mich nicht zu dem Deutschland, in dem die Hauptwerte und Hauptworte Volksgemeinschaft, Volkszugehörigkeit und Volkstum heißen (...) Ich bekenne mich zum Deutschland der Aufklärung und des Liberalismus, zu einem Deutschland, das in einer europäischen, von Toleranz getragenen Gemeinschaft verankert ist.“
Am 17. Juni 1999 hat der im Februar dieses Jahres verstorbene Kunstsammler Heinz Berggruen, nach Berlin zurückgekehrter jüdischer Emigrant, diese Worte in seiner Dankesrede zur Verleihung des Nationalpreises der Deutschen Nationalstiftung gesprochen.
Wir mögen die Bedeutung dieser Sätze ermessen können. Doch können das auch unsere Schüler ohne entsprechende historische Kenntnisse? In den Empfehlungen, die eine deutsch-israelische Schulbuchkommission 1981-1985 erarbeitet hat, heißt es: „Die Schüler sollten eine Vorstellung von den bemerkenswerten wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und künstlerischen Leistungen der Juden seit Beginn der Emanzipation bekommen. Das gilt insbesondere für die deutsch-jüdische Geschichte, die von den den Schülern als ein wesentlicher Bestandteil ihrer eigenen Geschichte aufgenommen wer den soll.“ In denselben Empfehlungen weiter unten: „Emanzipation und Assimilation der Juden müssen als Teil der deutschen Sozial- und Geistesgeschichte dargestellt werden." (zitiert aus GWU Jg. 54, März 2003)
Für den Geschichtsunterricht bedeutet das, in die Darstellung der Aufklärung, des Kampfes um die allgemeinen Menschenrechte die jüdische Aufklärung einzubeziehen und zu verdeutlichen, dass für die Juden Aufklärung, Bildung und Emanzipation eine Einheit bilden.
Hebräisch „Haskala“ heißt ins Deutsche übersetzt „mit Hilfe des Verstandes aufklären“ und ist der von den jüdischen Intellektuellen gewählte Begriff für ihre Aufklärungsbewegung; ab 1783 nannten sich die jüdischen Aufklärer selbst „Maskilim“. Die Haskala begann in Berlin, zumal seit 1743 Moses Mendelssohn hier lebte. In Berlin herrschte in dieser Zeit eine gesellschaftliche Sphäre, die es Juden erlaubte, außerhalb des normativen Judentums auf einer säkularen Ebene kritisch zu denken.
Stellte die europäische Aufklärung den Menschen als Vernunftwesen in den Mittelpunkt ihre Denkens, wollte die Haskala, wie Lazarus Bendavid, einer der Maskilim, 1793 formulierte "Aufklärung der Juden". Damit ist Bildung eine Grundvoraussetzung, als autodidaktische für die Maskilim oder durch Schulgründungen und so Zugang zur Bildung für möglichst viele jüdische Kinder.
1778 wurde z. B, die jüdische Freischule in Berlin gegründet, die als Jüdisches Gymnasium wieder besteht. Schul- und Allgemeinbildung galten von nun an als Voraussetzung bürgerlicher Verbesserungen, um so nicht nur den Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit, wie Kant formulierte, sondern auch aus der fremdver- schuldeten zu finden.
Für die Maskilim war die Zwei-, besser noch Mehrsprachigkeit von besonderer Bedeutung, denn sie schrieben ihre Texte deutsch und hebräisch mit jeweils anderer Zielrichtung; mit ihren deutschsprachigen Publikationen beteiligten sie sich an den allgemeinen Diskursen der Spätaufklärer oder formulierten sie ihre Forderungen nach bürgerlichen Verbesserungen. Hebräisch vermittelten sie nichtjüdische Bildung an Juden, während die Muttersprache fast aller Juden noch jiddisch war.
An dieser Stelle mag der Hinweis auf Moses Mendelssohns Pentateuch-Übersetzung stehen, da er für die Übersetzung der Fünf-Bücher-Moses ins Deutsche die hebräischen Schriftzeichen benutzte, um für seine Glaubensangehörigen verständlich zu sein. „Mendelssohn zielte durch seine Übersetzung also darauf ab, die Juden zu einer Neubesinnung auf die jüdische Tradition zu bewegen und sie durch das Erlernen der deutschen Sprache fähig zur aktiven Teilnahme an der deutschen Kultur zu machen und sich so als Bürger zu emanzipieren.“. ( H.O. Horch: Deutsch-Jüdische Literatur. Vorlesungsskripten der Fernuniversität Hagen, S, 108).
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