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AG Deutsch-Jüdische Geschichte

im

Verband der Geschichtslehrerinnen und -lehrer


Deutsc
hlands (VGD)

Rolf Ballof

Möglichkeiten für eine deutsch – jüdische Geschichte
bei der Behandlung des Mittelalters

Zusammenfassung des Vortrages auf der Tagung:

Integration und Ausgrenzung
Deutsch-jüdisches Zusammenleben in der Geschichte. Erarbeitung neuer Sichtweisen für den Unterricht

Seminar der Bundeszentrale für politische Bildung,  Bonn, in Zusammenarbeit mit dem Verband der Geschichtslehrer Deutschlands und der Moses Mendelssohn Akademie Halberstadt
Halberstadt 15. – 17. April 2007

 

I. Ansiedlung von Juden in Deutschland

1. Eine seit dem 4. Jahrhundert kontinuierliche Besiedlung ist (noch) nicht nachweisbar. Unter den späten Karolingern und unter den Ottonen wurden Juden aus dem Mittel-meerraum aus vorwiegend ökonomischen Gründen in  Herrschaftszentren, v. a. Bi-schofsstädte gerufen, andere zogen ihnen nach.
Die Besiedlung fand entlang den Flüssen Rhein, Main, Mosel, und Donau in alten Handelsstädten und an den Herrschaftszentren der Ottonen Merseburg und Magdeburg statt.

2. Anders als in den Herkunftsländern, in denen die Berufsstruktur der Juden der der Umgebungsgesellschaft vergleichbar war, sind bei der Besiedlung Deutschlands Ex-perten in Fernhandel, Geldwirtschaft, Medizin und Bergbau mit ihrem Anhang nach Deutschland gekommen. So ergaben sich zu Beginn unterschiedliche Tätigkeits – und Sozialstrukturen zwischen den sich ansiedelnden Juden und ihrer christlichen Umgebung.

3. Jüdische Fernhändler lösten friesische Kaufleute in ihrer Bedeutung ab. Zuvor waren im reich der Merowinger syrische Kaufleute tätig gewesen, die sich – auch unter dem Druck der Friesen – zurückgezogen hatten.

4. Mit der Ansiedlung von Juden entstehen jüdische Gemeinden mit einer differenzierten Infrastruktur, die auch zum Vorbild für die Organisation christlicher Gemeinden wurden.
 

Mögliche Einordnung in bisherige Bestände

1. Im Rahmen einer stärker als bisher zu berücksichtigenden Wirtschaftsgeschichte, die den Übergang zur Geldwirtschaft, Waren und Wege des Handels, Versorgung der Bevölkerung und die Finanzierung staatlichen Handels usw. thematisiert, wäre die Bedeutung der Ansiedlung von Juden darzustellen.

2. Denkbar wäre auch eine Berücksichtigung bei den Themen Bergbau, der für das Mittelalter bedeutend war und bislang nicht hinreichend beachtet wird, und Medizin.
 

 

II. Juden als Teil der Stadt im Mittelalter

1. Die Stadt ist der Raum typischer jüdischer Existenz. Begründet ist das einmal durch die Geschichte der Ansiedlung, zum anderen durch das Wesen der Stadt, als außerhalb des Lehnswesens stehend; denn die Juden waren religiös ausgeschlossen von Bindungen des Lehnswesens.

2. Anfangs waren die Juden auf die Stadtherren, die sie gerufen und angesiedelt hat-ten, ausgerichtet; von ihnen erhielten sie Privilegien und Aufträge. Mit der Emanzipa-tion der Städte von ihren Stadtherren wurden sie Teil der städtischen Gesellschaft, in der sie als eine Gruppe unter anderen galten und die ihre Stellung in den Auseinan-dersetzungen der Gruppen der Stadt finden musste. Der Übergang vom herrschaftli-chen Kaufmann zum städtischen Kaufmann war ergebnisoffen, konnte glücken, aber auch an eigenem Unvermögen wie an Exklusionen durch die anderen Gruppen scheitern.

3. Wegen religiöser Normen auf beiden Seiten konnten Juden nicht dem (christlich bestimmten) Schwurverband der Stadt angehören. Sie hatten ein besonderes Bürger-recht, verbunden mit Pflichten gegenüber der Stadt, waren allerdings nicht ratsfähig.

4. Bemerkenswert ist der Stolz der Juden, Bürger einer bestimmten Stadt (goldenes Mainz als Tochter Zions, Mainzer Synagoge als neuer Tempel, Schum – Städte) zu sein. Viele Gemeinden hatten Gründungsgeschichten, die weit in die Geschichte zu-rückgingen, teilweise in die Zeit vor dem Wirken Christi in Judäa.

5. Die Juden lebten in – durchaus mit Christen zusammen – in Stadtbezirken, deren Mittelpunkt die Synagoge war. Um die Synagoge gruppierten sich die Einrichtungen der Gemeinde. Meistens lag der jüdische Bezirk in der Nähe von Kathedralsitz oder Rathaus. Die Zentralität ist geradezu ein Merkmal jüdischer Siedlungen.

6. Die Synogogengemeinde war eine städtische Gemeinde unter anderen (christlichen); sie glichen sich in ihren Einrichtungen, waren in vielen Angelegenheiten autonom. Die Synagogengemeinden hatten eigene, oft über die Grenzen der Gemeinde wirkende Bildungseinrichtungen, oft sogar Jeschiwot. (Ein Vergleich mit den Kathedral-schulen würde interessante Einsichten bringen.)

7. Die soziale Struktur der jüdischen Gemeinde wurde der der christlichen Gemeinden immer ähnlicher. Übertritte gab es wohl wegen der sozialen Kontrolle kaum. In anderen Fragen verhielten sich christliche wie jüdische Gemeinden, beide waren schließ- ch genossenschaftlich organisiert, ähnlich (Zunftzwang, Ansiedlungshindernisse, Siedlungsbann)
 

Mögliche Einordnung in bisherige Bestände

1. Bei der Darstellung der mittelalterlichen Stadt sollte von der Topografie der Stadt ausgegangen werden; das ermöglicht die Darstellung der Gemeinden in der Stadt, der unterschiedlichen Erwerbs – und Sozialstruktur der Gemeinden in der Stadt, die jeweils auch politische Einheiten in der Willensbildung der Gesamtstadt waren. So kommen auch die exemten Bezirke der Stadt (Stadtherr, Klöster) mit ihren Beziehun-gen zu der Gesamtgemeinde in den Blick.

2. Zur Geschichte der Stadt im Mittelalter gehört auch das Verhältnis der Gruppen aus ihren Voraussetzungen, aus Ihren Interessen, unter Berücksichtigung gegenseitiger Beeinflussungen und Abgrenzungen darzustellen.

3. Der Konflikt gehört wie der Protest zum Lebensrhythmus der Stadt (Blickle). In die Darstellung innerstädtischer Konflikte gehören auch die Konflikte zwischen jüdischen und christlichen Bürgern, deren Analyse mit sozial - ,mentalitäts – und wirtschafts- geschichtlichen Fragestellungen anzugehen sind.
 

 

III. Die „Verchristlichung“ des lateinischen Europa und die Juden

1. Die kirchliche Reformbewegung wird in ihrer Wirkung auf das Verhältnis von Kaiser – Papst, gipfelnd im Investiturstreit und seinen Folgen, im GU berücksichtigt.

2. In ihrer Wirkung auf die Gläubigen und deren zunehmende Bindung an die kirchliche Disziplin jedoch weitgehend übersehen. Die libertas ecclesiae beinhaltete auch

  • Regelungen für die christliche Ehe (Bann für Brautraub, Abtreibung als Mord, Gültigkeit vor dem Pfarrer als Zeuge)
  • Klerikalisierung der Kirche (Einführung des Zölibats und Zurückdrängen der Frauen und Laien)
  • Sündenbewusstsein und kirchl. Verwaltung der Buße (Fegefeuer, Allerseelenfest, stellv. Buße
  • Formulierung der Transsubstantiationslehre und Verehrung der Eucharistie
     

3. Zugleich wird ein Modell der „Nachfolge Christi“ (redemptoris vestigia sequi) entwor-fen, das mehr dem Bild des „leidenden“ als dem - vorher gültigen - Bild des "triumphierenden“ Christus verpflichtet ist, woraus auch die Armutsbewegungen der auf die clun. Reformen folgenden Reformbemühungen entstehen.

4. Die „Verchristlichung“ erfasst auch Korporationen, wie Zünfte und Gilden in den Städten. Ihre Organisation wird christlich überformt, unter den Schutz von Heiligen gestellt.

Die Formation eines christlichen Europas, das den Anspruch auf Wahrheit und Richtigkeit des Lebens erhebt und zu einem großen Teil zentralisiert hat, erschafft sich die Abweichler, seien es die Armutsbewegungen oder die Ketzer, die mit der Strenge des römischen Rechts verfolgt werden.

Die Durchsetzung der kirchlichen Kontaktverbote – auch mit Sanktionen - erschwerte das Zusammenleben der Juden mit den Christen. Die Juden sind grundsätzlich – anders als die Ketzer - durch kirchliche und kaiserliche Tradition geschützt. Zum einen können Juden wegen ihrer Religion viele neue Wege nicht mitgehen (Selbstexklusion), andererseits werden sie aus dem gesellschaftlichen Leben hinausgedrängt (Exklusion).
 

Mögliche Einordnung in bisherige Bestände

1. Neue Sicht auf die kirchliche Reformbewegung; nicht nur die libertas eccl. unter dem Gesichtspunkt Kaiser – Papst behandeln, sondern auch untersuchen, auf welche Weise kirchliche Regeln das Leben der Menschen zunehmend bestimmt haben. (Bedeutung der Kanonistik)

2. Darstellung der Verchristlichung bürgerlicher Institutionen wie Zünfte, Gilden (eigen Kapellen, Heilige als Patrone)

3. Darstellung des Verhältnisses der Mehrheit zu Minderheiten
 

 

IV. Die rechtliche Stellung der Juden im Reich des Mittelalters

„Die mittelalterliche Gesellschaft besteht aus privilegierten Minderheiten.“ (Herzig).
Zu unterscheiden sind drei Bestimmungsfaktoren für das Recht der Juden

1. das kaiserliche Recht bis zum 13. Jh.
2. das kirchliche Recht vom 13. Jh. an
3. das städtische Rechtvom 14.Jh. (zu unterschiedlich, um allg. Aussagen zu treffen)

Die drei Rechtskreise folgen schwerpunktmäßig aufeinander, bedingen sich, beeinflussen sich, bestehen auch nebeneinander.
 

Kaiserliches Recht(Regal):

1. Jüdische Religion als religio licita2. Gemeindeautonomie
3. Schutz gegen Abgaben
4. ökonomische Freiheit
5. Privilegien

Landrecht (1103) und Sachsenspiegel
Freie Verfügbarkeit des Eigentums, Recht auf Grundbesitz
Freie Handelsausübung
Befreiung v. Gastungspflicht
„Hehlerprivileg“
 

Kirchliches Recht

:1. Garantie des Lebens
2. Recht auf Religionsausübung (Probleme beim Bau von Synagogen)
3. Verbot des Kontaktes zwischen Juden und Christen (Feste, Gemeinschaft, Kleider-ordnung, aber auch Kleiderordnungen)
4. „Ein Christ sei keinem Juden untertan“ (Ämterverbot u. Verbot, christliche Angestellte zu haben)
5. servitus perpetua (1205)
 

Im 13. Jh. dringt das kirchliche Recht in das kaiserliche Recht ein, dieser Vorgang gehört in den größeren Rahmen der Auseinandersetzungen der beiden Mächte ( Fr. I. 1179 ad fiscum imperatoris pertinent; Fr. II. 1236 servi camere nostre; Rudolf I. 1286 jüdisches Eigentum ist kaiserliches Eigentum).  Die rechtliche und soziale Entwicklung steht im Spannungsfeld zwi-schen den universal werden Ansprüchen der Kirche und den eher rechtlich gebundenen, ökonomisch interessierten weltlichen Herrschern.
Ähnlich wie das Regal der königlichen Städte und andere Regalien wird das Judenregal – oft an Städte, aber auch an Fürsten – verpfändet.

In den Bemühungen der Städte um größere Autonomie wird die Existenz des königlichen Schutzes als hinderlich angesehen; ein Grund dafür, dass städt. Oberschichten auf die Ver-treibung der Juden drängen. Zunehmend verloren die Juden das Recht auf Grundbesitz.
 

Mögliche Einordnung in bisherige Bestände


1. in ein auch aus anderen Gründen notwendiges Kapitel zur Verchristlichung Euro-pas (s. S. 3);
2. Kapitel Recht im Mittelalter;
3. mittelalterliche Stadt v.a. Spätmittelalter (s. neuere Überlegungen zu einer europ. Geschichte im Spätmittelalter)
 

 

Die Juden des Mittelalters in Geschichtsbüchern für die Sek. I


I. Buchner, Das waren Zeiten 2

1.S. 48  Sonderkapitel  in Juden in Europa
Christliche Herrscher rufen(v. Antike, gerufen f. Fernhandel)
Juden und Christen (Abgrenzung)
Tod oder Taufe
Menschen im Abseits (Abgrenzungsbeschlüsse, Kaiser – Kirche; Pfandge-schäft)
Bequeme Sündenböcke

Quellen:
i.Speyer 1084
ii.Lateranum 1215
iii.Sachsenspiegel
2.S. 88  Pestkapitel
Gewalt gegen sich u. Minderheiten
 

II. Westermann Anno 2

1.S. 100 eigenes Unterkapitel  „Sonderrolle“ in Kap. Menschen in den Städten
Unentbehrlichkeit der Juden
Abdrängen in die Pfandleihe
Hohe Zinsen – Schulden – Sündenböcke -  Quelle Erfurt: Morden, Brun-nenvergiftung,
Distanz des Verfassers

2.S. 138 Pest lediglich Erwähnung der Judenverfolgung „Sündenböcke“
 

III. Schöningh Zeiten und Menschen 2

1.S. 135 Juden – eine Gruppe für sich Alltagswelt einer ausgegrenzten Minderheit
Ansiedlung
Im Getto (11. Jh. !!!)
Jüdische Selbstverwaltung
Jüdisches Leben
Juden als Experten für Handel
Überleben in der Stadt
Aufgabe: einerseits andererseits 

2.S. 160 Massaker an den Juden in der Zeit der Kreuzzüge
Worms 1096
Kreuzzüge Elieser ben Nathan
Fulda 1235
Straßburg 1348
Frankfurt 1614
 

IV: Diesterweg  Wir machen Geschichte 2

1.S. 126  Juden – die andere Religion in der Nähe
Frühzeit der chr. – jüd. Beziehungen  (Verschlechterung der Beziehungen im Za. Des Christentums als Staatsreligion
Die goldene Zeit der Juden im Abendland (Fernhandel, Zusammenleben, Mildtätigkeit)
Die Wende im chr. – jüd. Verhältnis (1. Kreuzzug, Ritualmorde, Urteil Fried-richs II.,
Schlusshinweis Vertreibung aus den Städten

2.S. 137  Geschichte in unterschiedlicher Sicht – die Judenverfolgung 1096 am Rhein Werkzeugkiste)
Quellenkritik, Standpunkte und Rezeption
 

V. Cornelsen Forum Geschichte 2

1.S. 148 Juden – mehr als eine Minderheit
Juden als „Wirtschaftsfaktoren“ (Wichtigkeit, Schutz, Privilegien)
Die jüdische Gemeinde – Stadt in der Stadt ( geschl. Siedlung, Integration in der Stadt,
Die Vertreibung der Juden (Feindsetzung 1. Kreuzzug, Laterankonzil 1215, Mordbeschuldigungen, Pest, Vertreibungen)
Jüdisches Leben in Norddeutschland (Goslar, Leben an 40 Orten, Juden-recht, Vertreibung Wiederansiedlung),
Quellen: viele Sprachen, Privileg v. 1157, Ausschreitungen gegen Konstanzer Juden,
Grundwissen Grundlagen der jüdischen Religion
 

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