Web Design
Chanukka-LeuchterChanukka-Leuchter Frankfurt a.M. 1680 - Jüdisches Museum Frankfurt

© Jüdisches Mus. Frankfurt

AG Deutsch-Jüdische Geschichte

im

Verband der Geschichtslehrerinnen und -lehrer


Deutsc
hlands (VGD)

Quellen zur Frühen Neuzeit (16. und 17. Jh.)

17. Jahrhundert:  Christen, Juden und das Geld (2. Teil)

1. Teil: 16. Jh. auf der vorherigen Seite

Auf dieser Seite:

Quelle aus der Geschichte der Juden in Wien: Verbot wucherischer Geldgeschäfte, 1633

Wird ergänzt...

Quelle aus der Geschichte der Juden in Wien
aus: A. F. Pribram: Urkunden und Akten zur Geschichte der Juden in Wien, Erste Abteilung, Allgemeiner Teil, 1626-1847, Erster Band, Wien und Leipzig (Braumüller) 1918, S. 120f.

1633 Dez. 5
Verbot wucherischer Geldgeschäfte
Patent Ferdinands II. (Codex Austriacus, II, p. 357).

[...] Und demnach vil Christen unter den Juden stecken, denenselben für sich selbsten und auf ihre Nämen oder aber nur durch sie des Jahrs Interessen durch allerhand gesuchte Schein und Mittel fürleihen, sich auch sonsten als Unterhändler zu allerhand schädlichen und unzimblichen Partiten gebrauchen, welches den Christen nicht wenig verkleinerlich ist: Diesemnach und darmit diesem Übel umb so vil desto mehr abgheholfen seyn, so wollen Wir, daß hierfüro derjenige Jud, welcher dergestalt mit Christengeld handelt, dasselb für sich selbsten oder aber auch als Unterhandler aufnimbt und nochmals entwerders auf seinen eignen oder auch eines andern Christen oder Judens Namen ander Christen widerumben höher als umb 6 von Hundert des Jahrs Interesse (welches dann auch von einem Halben-, Viertel-Jahr, Monath, oder etlich Wochen der Proportion nach zu verstehen ist), ausleiht, oder andere unzimbliche Partiten damit treibet, ohne Begnadung mit Ruithen offentlch ausgestrichen, und des Lands auf ewig verwiesen; der Christ aber, er sey hoch oder nidern Stands, so sein Geld unter oder durch die Juden über 6 pro cento ausleiht, vorstreckt, oder andere verbotene Partiten darmit treibt, neben Verliehrung desselben Gelds für unehrlich gehalten und auf eine Zeitlang mit Gefängnis oder anderen Leibsstrafen offentlich abgestraft werden solle. Damit auch diesem noch desto mehrers fürkommen werde, auch dergleichen, wucherliche Partitenhandlungen und übermäßges Interesse, sonderlich aber mit oder durch die Juden heimlich zu verüben, desto weniger Gelegenheit sey: So sollen hinfüro alle Handlungen, Contract, Darlehen und Schuldverschreibungen, so zwischen einen Christen und Juden beschehen, vo rund im Beyseyn des Schuldners nächster ordentlichen Obrigkeit beschlossen, aufgerichtet und von derselben ratificirt und verfertiget; widrigenfalls solche Contract, Handlungen und Verschreibungen nicht allein für sich selbsten nichts gelten und kraftlos seyn, sondern auch bey Gericht kein Execution darauf ertheilt werden und noch darzu der Jud sein Spruch und Aufforderung, so er aus solcher, auch sonsten zulässiger Handlung, Contract oder Schuldverschreibung zu einem Christen haben möchte, verlohren haben. [...]

Historischer Hintergrund:

Die erste Ansiedlung von Juden an der Unteren Werd, einer Donauinsel vor Wien, später Leopoldstadt, erfolgte erst 1624. Daraus entstand dann das Ghetto auf der damaligen Insel. Zuvor war die Geschichte der Juden in der Stadt sehr wechselhaft gewesen und von wiederholten Ausweisungen bzw. Vernichtung gekennzeichnet, so durch die Ermordung der Judengemeinde 1421 auf Befehl Albrechts V. Die Juden gerieten unschuldig in den Konflikt mit den Hussiten hinein und die Infragestellung der kirchlichen Autorität im frühreformatorischen 15. Jh. überhaupt ließ Kirchen und christliche Herrscher verstärkt gegen Juden vorgehen: Zwangstaufe, Vertreibung, Ermordung. Dies betraf v.a. die Wiener Juden, während die Prager relativ im Abseits der Auseinandersetzungen blieben.

Ende des 16. Jh.s änderte sich die Haltung des Hofes und erste jüdische Kaufleute werden wieder mit Freibriefen für die Ansiedlung versehen. Eine regelrechte Tendenzwende erfolgte dann Im Dreißigjährigen Krieg, als die internationalen Kontakte jüdischer Händler gefragt waren, v.a. ins protestantische Ausland (Amsterdam), wo über diese Verbindung Geld (Kredit) beschafft werden konnte, was direkt von protestantischer in katholische Hand niemals geflossen wäre. Die Loyaltät der Juden in den habsburgischen Landen zum Kaiser tat ihr übriges.

Zur Quelle:

Dieses Wucherverbot -d.h. für Zinsen über 6% - ist nicht das erste. Es macht aber erstmals deutlich, wie christliche und jüdische Geschäftsleute hier im Kreditgeschäft zusammenarbeiteten, d.h. wie Juden von Christen Geld aufnahmen und weiterverliehen oder im Namen von Christen Geldgeschäfte tätigten. Juden wurde gemeinhin ein höherer Zinssatz zugestanden als Juden, was hier jedoch nur indirekt zur Sprache kommt, wenn es heißt, dass ein Christ “durch die Juden über 6 pro cento ausleiht”.

 

Wird ergänzt...

Vgl. auch unsere Seite zu Joseph Süss Oppenheimer, 18. Jh.

[Home] [Aktuelles] [Themen] [Epochen Materialien] [Antike] [Mittelalter-Start] [Fruehe Neuzeit] [1789-1914] [1914-1933] [1933-1945] [Nach 1945] [Stichworte-1] [1. Phase der AG] [Links und Infos] [Biblio / Rezensionen] [Impressum]

Interessen = Zinsen

Partiten: Betrügereien, besonders durch Tausch und Handel (Wörterbuch von Jacob Grimm)

Geschichte der Juden in der Leopoldstadt >Wikipedia

Geschichte der Wiener Juden, >HaGalil

Judenmord 1421 >Austria-Forum

Zur Geschichte der österreichischen Juden cf. Klaus Lohmann: Zwischen Finanz und Toleranz. Das Haus Habsburg un die Juden. Graz u.a.o( Styria) 2000, hier insbes. S. 117-135

Mordechai Breuer / Michael Graetz (Hg.): Deutsch-jüdische Geschichte in der Neuzeit. Bd. 1: 1600-1780. München (Beck) 2000, S. 97-100..