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Verband der Geschichtslehrerinnen und -lehrer


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hlands (VGD)

Mittelalter 4:
Christen und Juden / Koexistenz und Konfrontation (2)

Thema:
Koexistenz und Konfrontation zwischen Christen und Juden in der mittelalterlichen Stadt

1. Judengasse:
auf Mittelalter 3
2. Judenhut, Gelber Fleck oder Gelber Ring: hier auf der Seite

Note bene: Das Thema Ghetto wird seiner historischen Einordnung entsprechend auf der Seite Frühe Neuzeit behandelt.

 

2. Judenhut, Gelber Fleck oder Gelber Ring...
Kennzeichnung an der Kleidung und Stigmatisierung

In mittelalterlichen Abbildungen sind männliche Juden mit dem seltsamen Judenhut abgebildet, der wie ein umgekehrter Trichter aussieht. Eine schöne Darstellung davon gibt es im Codex Manesse mit dem Bild des einzigen jüdischen Minnesängers, Süsskind von Trimberg.

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Codex Manesse, fol. 355r, Süsskind, der Jude von  Trimberg

Wikimedia Commons

Der Codex Manesse entstand zwischen 1305 und 1340 in Zürich.

Auf der Seite der Universität Heidelberg, die den ganzen Codex digitalisiert und ins Netz gestellt hat, gibt es auch die dazu gehörende Textseite: hier.

 

Bei diesem Judenhut handelte es sich jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach nicht um eine realistische Darstellung der Kopf- bedeckung, sondern um ein ikonographisches Zeichen, dass die Juden in solchen Darstellungen  kennzeichnen sollte. So wurden auch Juden in biblischen Szenen anachronistisch mit dem Judenhut dargestellt und dadurch meistens negativ stigmatisiert, eine der drastischsten Abbildungen in der Katharinenkapelle Landau verbindet dies mit dem Vorwurf des Christusmordes, obwohl die Strafe damals von den Römern ausgesprochen und ausgeführt worden war.

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Wandmalerei aus der Katharinenkapelle in Landau, 14. Jh.

Wikimedia Commons

 Die Abbildungen des Judenhutes verschwinden gegen Ende des Mittelalters, dafür treten der Gelbe Fleck oder der Gelbe Ring in den Vordergrund. Typisch für die weit verbreitete Vorstellung von dieser Kennzeichnungspflicht ist der Eintrag auf Wikipedia:

“Der Gelbe Ring (je nach Ausführung auch Judenring, Judenkreis, Gelber Fleck oder rouelle - frz. ’Scheibe’ - genannt) war im Mittelalter eine für Juden vorgeschriebene Kennzeichnung: Sie mussten seit dem 13. Jahrhundert in vielen Ländern und Regionen Europas  ein Stoffstück in Kreis-, Ring- oder Rechteck-Form außen sichtbar -  meist vorn in Brusthöhe - auf der Kleidung tragen.” (Gelber Ring, 15.8.2010)

Der Bezug auf das 13. Jh. meint natürlich das IV. Lateranische Konzil von 1215, das als Standardreferenz für alle diskriminierenden Maßnahmen gilt. Auch der renommierte französische Historiker Robert Fossier, den wir schon bezüglich der Ghettoproblematik zitiert haben (siehe auf Mittelalter 3: hier), meint:

“Auf dem Vierten Laterankonzil von 1215 verpflichtete Papst Innozenz III. die Juden, eine besondere Kopfbedeckung, den ‘Judenhut’, und ein Erkennungszeichen an ihrem Gewand, den ‘Gelben Ring’ zu tragen.”
Robert Fossier: Das Leben im Mittelalter, München (Piper) 2009, S.371. [Ces gens du Moyen Age, Paris, 2007]

An diesem Satz ist so ziemlich alles falsch: Vom Judenhut und vom Gelben Fleck ist in dem betreffenden Text überhaupt nicht die Rede, der übrigens ein Konzilsbeschluss war und kein Diktat des Papstes. In Wikipedia wird der Passus mit der Kennzeichnungs- pflicht durchaus richtig zitiert, aber ohne über die Bedeutung nachzudenken, wonach nämlich Juden und Sarazenen sich lediglich in der Kleidung von den Christen unterscheiden sollen. Kein Judenhut, kein Gelber Fleck. Wir haben den Konzilsbeschluss ausführlich auf Mittelalter 1 dokumentiert und kommentiert: hier. Der Konzilsbeschluss zielte auf die Probleme in den Kreuz- fahrerstaaten, Spanien und Sizilien ab, wo Christen, Juden und Muslime zusammenlebten.

In einigen Varianten, einer Minderzahl, der Rechts-Codices (Sachsenspiegel, Schwabenspiegel...) gibt es Anmerkungen zum Tragen des Hutes “nach Verlassen der Synagoge”, an anderen Stellen ist vom Tragen des Hutes bei der Eidesleistung die Rede.
Christine Magin: “Wie es umb der Iuden recht stet”. Der Status der Juden in spätmittelalterlichen deutschen Rechtsbüchern.  Göttingen (Wallstein) 1999, S.158f.

Im Sachsenspiegel wurde ferner auf die einzuhaltende Haartracht von Mönchen und Juden hingewiesen, was jedoch, schon durch die Parallelisierung, per se keine diskriminierende Absicht erkennen lässt. Überhaupt ist gegenüber der Stigmatisierungsthese zu beachten, “dass sich viele mittelalterliche Bevölkerungs- oder Berufsgruppen äußerlich von anderen unterschieden; besondere Kleidung musste also nicht an sich diskriminierend sein.” Magin, op. cit., S. 151.
Für den Judenhut, der jedoch auch nach Christine Magins Ansicht im “Reich und in Nordfrankreich [...] üblich war” und ihrer Meinung nach sogar “freiwillig getragen” wurde (loc. cit., S. 147), nennt die Autorin jedoch keinen Beleg. Abbildungen von Judenhüten aus der sog. Maciejowski- oder Kreuzfahrerbibel (Mitte 13. Jh., Frankreich)  zeigen ganz unterschiedliche Formen, neben dem “typischen”, oben spitz zulaufenden  und in einem kleinen Ball oder einer Bommel endenden Judenhut wie in der Abbildung von Süsskind von Trimberg auch eher alltägliche, kapuzenartige Kopfbedeckungen (hier).

Judenhut_Sachsenspiegel

Die dem stilisierten Judenhut als Symbol zugrunde liegende reale Kopfbedeckung könnte in der Tat eine Art Kapuze oder ein kapuzenähnlicher Hut gewesen sein, wie sie auf dem bekannten Bild des Heidelberger Sachsenspiegels zum Königsfrieden zu sehen ist (siehe hier). Das Symbol könnte aus der Besonderheit entstanden sein, dass (männliche) Juden im Mittelalter generell eine Kopfbedeckung trugen als Zeichen der Frömmigkeit, nicht nur wie heute in der Synagoge oder auf dem Friedhof, im Übrigen tragen auch heute fromme Juden die Kippa ständig.

Bis sich die allgemeine Kennzeichnungspflicht durch den Gelben Fleck oder Ring in Mitteleuropa durchsetzte, dauerte es noch Jahrhunderte.  Am schnellsten erfolgte die Umsetzung in Frankreich 1269 durch ein Dekret des Königs, Ludwigs des Heiligen, dies war dort aber bereits ein Schritt auf dem Weg zur Ausweisung der Juden, die in den nächsten Jahrzehnten mit einigem Hin und Her erfolgte. Auf dem Reichsgebiet gab es unterschiedliche Regelungen zu unterschiedlichen Zeiten, der Gelbe Fleck oder Ring wurde jedoch erst ab dem 15. Jh. nach und nach durchgesetzt, so in Süddeutschland im Zusammenhang mit dem Basler Konzil in den 30er und 40er Jahren, in Frankfurt zusammen mit der Errichtung des Ghettos 1462, und in den Habsburgischen Ländern sogar erst später im 16. Jh. Christine Magin bilanziert die Versuche der Einführung des Gelben Flecks im 15. Jh. so: “Bis ins 16. Jahrhundert hinein bemühten sich Geistliche, Fürsten und auch Städte um die Durchsetzung des nunmehr gelben Judenabzeichens, konnten aber keine dauerhaften Erfolge verzeichnen.”
Magin, o. cit., S.157. Vgl. auch: Karl Heinrich Rengstorf / Siegfried von Kortzfleisch (Hg.): Kirche und Synagoge. Handbuch zur Geschichte der Christen und Juden. Darstellung und Quellen, Bd.1, München/Stuttgart (dtv/Klett-Cotta) 1988, S.224.

So ist der Gelbe Fleck oder Ring letztlich keine mittelalterliche Erscheinung im allgemeinen Sinne, sondern allenfalls eine des späten Mittelalters, hauptsächlich aber der Frühen Neuzeit.

Im Übrigen kann man davon ausgehen, dass sich ohnehin die verschiedenen Bevölkerungsgruppen an der Kleidung unter- schieden und darunter auch die Juden von Alters her. Diese Unterscheidung nach der ständischen Ordnung und mit feineren Unterscheidungen nach Beruf und sozialem Status hatte, außer ein Abbild dieser hierarchischen Ordnung zu sein, keine beson- dere diskriminierende Bedeutung. So waren die diesbezüglichen die Juden betreffenen Vorschriften in der Kölner Judenordnung von 1404 Teil allgemeiner Kleidervorschriften (vgl. in Rengstorf/Kortzfleisch, op. cit., S.226). Proteste der Juden gegen die Einführung des Gelben Flecks bezogen sich denn auch auf bereits existierende Unterschiede in der Kleidung. Noch 1418 gestand ihnen Papst Martin V. auf dem Konstanzer Konzil zu, nur die “gewohnten Abzeichen” tragen zu müssen (cf. Magin, S.157). Die Diskriminierung kam tatsächlich erst mit dem Gelben Fleck, und eben erst sehr spät.

Die Verschärfung der judenfeindlichen Maßnahmen von offizieller Seite her (Kirche und weltliche Macht) im 15. und mehr noch im 16. Jh. ist eindeutig auch im Zusammenhang der Krise der katholischen Kirche und ihres Kampfes gegen Ketzerbewegungen und vorreformatorische radikale Kirchenkritik zu sehen. Die Juden wurden zunehmend als Teil einer kirchenfeindlichen Front betrachtet und z.B. auf dem Basler Konzil auf die Seite der Hussiten gestellt. Die Vertreibungen des 15. Jh.s sind zum Teil auch unter diesem Aspekt zu sehen. Hinsichtlich aller Maßnahmen gegen die Juden, von der Kennzeichnungspflicht über das wiederholte Wucherverbot bis hin zur letztlichen Vertreibung, sah sich die Kirche jedoch heftigen inneren Konflikten ausgesetzt. So handelte der päpstliche Legat und “2. Mann” nach dem Papst, Nikolaus von Cues,  auf einigen Provinzkonzilien im Reich 1450/51 Judenordnungen mit der Pflicht zum Gelben Ring und zum Wucherverbot aus mit Strafandrohung für die örtlichen kirchlichen Instanzen bei Nichtbefolgung der Durchsetzung. Nach heftigem Protest seitens der Städte und des Kaisers wurden die Dekrete von Papst Nikolaus V. relativiert durch die Maßgabe, den Christen dürfe daraus kein Nachteil entstehen (gemeint war damit v.a. das Ende des Geldverleihs), so dass sie letztlich außer Kraft gesetzt wurden. Umgekehrt gab es von Seiten der Bettelorden von Italien bis Deutschland eine heftige antijüdische Polemik in Predigten und öffentlichen Auftritten, die die Päpste zeitweise auch wieder in die andere Richtung schwanken ließen (vgl. in Ringtrorf/Kortzfleisch, S.224-227). Radikale Wechsel von der einen in die andere Richtung gab es auch in etlichen Städten, die erst gegen verschärfte antijüdische Maßnahmen protestierten und wenig später die Juden aus der Stadt verwiesen.

Insgesamt zeigte sich der Autoritätsverlust von Papst und Kirche sowie Kaiser auch in dieser Frage. Die letzten Entscheidungen über das Verhältnis zwischen Christen und Juden trafen die Städte oder Fürsten immer mehr selbst, wenn sie auch darauf achteten ein möglichst für sie günstiges Placet durch Kirche oder Kaiser  einzuholen und die Befreiung von der Autorität der letzteren auch nicht überall gelang, wie das Beispiel Worms zeigt (siehe Mittelalter 3).

W. Geiger, 15.8.2010; 2.9.2014

Wird fortgesetzt...

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