Die Abbildungen des Judenhutes verschwinden gegen Ende des Mittelalters, dafür treten der Gelbe Fleck oder der Gelbe Ring in den Vordergrund. Typisch für die weit verbreitete Vorstellung von dieser Kennzeichnungspflicht ist der Eintrag auf Wikipedia:
“Der Gelbe Ring (je nach Ausführung auch Judenring, Judenkreis, Gelber Fleck oder rouelle - frz. ’Scheibe’ - genannt) war im Mittelalter eine für Juden vorgeschriebene Kennzeichnung: Sie mussten seit dem 13. Jahrhundert in vielen Ländern und Regionen Europas ein Stoffstück in Kreis-, Ring- oder Rechteck-Form außen sichtbar - meist vorn in Brusthöhe - auf der Kleidung tragen.” (Gelber Ring, 15.8.2010)
Der Bezug auf das 13. Jh. meint natürlich das IV. Lateranische Konzil von 1215, das als Standardreferenz für alle diskriminierenden Maßnahmen gilt. Auch der renommierte französische Historiker Robert Fossier, den wir schon bezüglich der Ghettoproblematik zitiert haben (siehe auf Mittelalter 3: hier), meint:
“Auf dem Vierten Laterankonzil von 1215 verpflichtete Papst Innozenz III. die Juden, eine besondere Kopfbedeckung, den ‘Judenhut’, und ein Erkennungszeichen an ihrem Gewand, den ‘Gelben Ring’ zu tragen.” Robert Fossier: Das Leben im Mittelalter, München (Piper) 2009, S.371. [Ces gens du Moyen Age, Paris, 2007]
An diesem Satz ist so ziemlich alles falsch: Vom Judenhut und vom Gelben Fleck ist in dem betreffenden Text überhaupt nicht die Rede, der übrigens ein Konzilsbeschluss war und kein Diktat des Papstes. In Wikipedia wird der Passus mit der Kennzeichnungs- pflicht durchaus richtig zitiert, aber ohne über die Bedeutung nachzudenken, wonach nämlich Juden und Sarazenen sich lediglich in der Kleidung von den Christen unterscheiden sollen. Kein Judenhut, kein Gelber Fleck. Wir haben den Konzilsbeschluss ausführlich auf Mittelalter 1 dokumentiert und kommentiert: hier. Der Konzilsbeschluss zielte auf die Probleme in den Kreuz- fahrerstaaten, Spanien und Sizilien ab, wo Christen, Juden und Muslime zusammenlebten.
In einigen Varianten, einer Minderzahl, der Rechts-Codices (Sachsenspiegel, Schwabenspiegel...) gibt es Anmerkungen zum Tragen des Hutes “nach Verlassen der Synagoge”, an anderen Stellen ist vom Tragen des Hutes bei der Eidesleistung die Rede. Christine Magin: “Wie es umb der Iuden recht stet”. Der Status der Juden in spätmittelalterlichen deutschen Rechtsbüchern. Göttingen (Wallstein) 1999, S.158f.
Im Sachsenspiegel wurde ferner auf die einzuhaltende Haartracht von Mönchen und Juden hingewiesen, was jedoch, schon durch die Parallelisierung, per se keine diskriminierende Absicht erkennen lässt. Überhaupt ist gegenüber der Stigmatisierungsthese zu beachten, “dass sich viele mittelalterliche Bevölkerungs- oder Berufsgruppen äußerlich von anderen unterschieden; besondere Kleidung musste also nicht an sich diskriminierend sein.” Magin, op. cit., S. 151. Für den Judenhut, der jedoch auch nach Christine Magins Ansicht im “Reich und in Nordfrankreich [...] üblich war” und ihrer Meinung nach sogar “freiwillig getragen” wurde (loc. cit., S. 147), nennt die Autorin jedoch keinen Beleg. Abbildungen von Judenhüten aus der sog. Maciejowski- oder Kreuzfahrerbibel (Mitte 13. Jh., Frankreich) zeigen ganz unterschiedliche Formen, neben dem “typischen”, oben spitz zulaufenden und in einem kleinen Ball oder einer Bommel endenden Judenhut wie in der Abbildung von Süsskind von Trimberg auch eher alltägliche, kapuzenartige Kopfbedeckungen (hier).
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