Mussten die in Speyer aufgenommenen Juden vor dem vor dem Pöbel (peioris) oder vor dem Vieh (pecoris) geschützt werden?
Zunächst ist dies eine Frage, wie die Handschrift zu lesen ist. Die seit langer Zeit vorherrschende Lesart mit der Übersetzung “vom Pöbel” für a peioris entspricht der bei Höxter (siehe den ganzen Text auf Mittelalter 1) (alle nachfolgenden optischen Hervorhebungen in den Zitaten sind von uns):
Speyer, 13. September 1084.
. . . Ich, Rüdiger, auch Huozmann genannt, Bischof von Speyer. Als ich den Weiler Speyer in eine Stadt verwandelte, glaubte ich die Ehre unseres Ortes noch zu vergrößern, wenn ich die Juden vereinigte. Ich brachte sie darauf außerhalb der Gemeinschaft und des Zusammenwohnens mit den übrigen Bürgern, und damit sie durch den Übermut des Pöbels nicht beunruhigt würden. [...]
Demgegenüber hat Karl Heinz Debus eine andere und ältere Version wieder aufleben lassen:
Ich, Rüdiger, mit Beinamen Huozmann, Bischof von Speyer, glaubte in meinem Bestreben, aus der Kleinstadt Speyer eine Weltstadt zu machen, die Ehre unseres Ortes durch Ansiedlung von Juden noch mehr zu heben. Die herbeigeholten Juden siedelte ich deshalb außerhalb der Gemeinschaft und den Wohnplätzen der übrigen Bürger an und umgab ihre Siedlung mit einer Mauer, damit sie nicht durch Viehherden gestört werden. [...]
Karl Heinz Debus: „Geschichte der Juden in Speyer bis zum Beginn der Neuzeit“, in: Historischer Verein der Pfalz, Bezirksgruppe Speyer: Die Juden von Speyer, Beiträge zur Speyerer Stadtgeschichte Nr.9, Speyer, 3. Aufl. 2004, S.4.
Lateinischer Text des Beginns der Urkunde bei Karl Heinz Debus, op. cit::
In nomine sancte et individue trinitatis. Ego Rüdegerus qui et Huozmannus cognomine, Nementensis qualiscumque episcopus, cum ex Spirensi urben facerem, putavi milies amplificare honorem loci nostri, si et iudeos colligerem. Collectos igitur locavi extra communionem et habitacionem ceterorum civium, et ne a pecoris turbe isolencia facile turbarentur, muro eos circumdedi. ...
Anmerkung von Debus:
Die Urkunde wurde kritisch ediert von A. Hilgard, Urkunden zur Geschichte der Stadt Speyer (Speyer 1885), S.11-12 Nr.11 nach Codex minor Spirensis, GLA Karlsruhe, Abt. 67 Nr.448 (eh. Nr.262) fol.26 und nach den Drucken: S.A. Würdtwein, Nova subsidia diplomatica ad selecta iuris ecclesiastici Germaniae et historiarum capita elucidanda I )Heidelberg 1797) S.125, K.G. Dümgé, Regesta Badensia. Urkunden des grossherzoglich badischen General-Landes-Archives von den ältesten bis zum Schlusse des zwoelften Jahrhunderts (Karlsruhe 1836) S.113 Nr.62 und F.X. Remling, Geschichte der Bischöfe zu Speyer I (Mainz 1852), 1,57 Nr.57.
Karl Heinz Debus, „Geschichte der Juden in Speyer bis zum Beginn der Neuzeit“, in: Historischer Verein der Pfalz, Bezirksgruppe Speyer: Die Juden von Speyer, Beiträge zur Speyerer Stadtgeschichte Nr.9, Speyer, 3. Aufl. 2004, S.4-5 (=Fußnote 40).
Zu den genannten Quellen:
Der Wortlaut entspricht dem bei Hilgard, der einleitend anmerkt:
Orig. nicht mehr vorhanden. - Aus dem Copialb. 262 (antiq. lib. privil.) des GLA zu Karlsruhe, fol. 26. - Gedruckt bei Würdtwein, Nov. subs. 1, 125. Dümgé, Reg. Bad. 113. Remling, Urkb. 1, 57. Vgl. Remling, Gesch. 1, 310.
Urkunden zur Geschichte der Stadt Speyer. Dem Historischen Verein der Pfalz zu Speyer gewidmet von Heinrich Hilgard-Villard. Gesammelt und herausgegeben von Alfred Hilgard, Straßburg, Verlag von Karl J. Trübner, 1885, S.11, Nr.11 Online bei der Universitätsbibliothek Heidelberg
Bei Würdtwein findet sich dagegen die andere Version:
In nomine sanctae & individuae Trinitatis. Ego Rudigerus, qui & Huozmannus cognomine, Nemetensis qualiscumque Episcopus. Cum ex Spirensi villa urbem facerem, putavi melius amplificare honorem Loci nostri, si & judaeos colligerem. Collectos igitur locavi extra communionem & habitationem caeterorum civium, & ne pejoris turbae insolentia facile turbarentur, muro eosdem circumdedi: [...]
Nova subsidia diplomatica ad selecta juris ecclesiastici Germaniae et historiarum capita elucidanda ex originalibus et authenticis documentis congesta, notis hinc inde necessarius illustrata et edita a Stephano Alexandro Würdtwein. Tomus primus, Heidelbergae, sumtibus Tobiae Goebhardt, Bibliopolae universitatis Bambergensis, MDCCLXXXI, S.125. (Unveränderter Nachdruck Minerva, Frankfurt 1969). Verfügbar online bei Google Books.
Ebenso bei Dümgé, mit anderen annotierten Varianten:
In nomine sanctae et individuae Trinitatis. Ego Rudigerus, qui et Huozmannus cognomine, Nemetensis qualiscumque Episcopus. Cum ex Spirensi villa urbem facerem, putavi milies (1) amplificare honorem loci, si et judaeos colligerem. Collectos igitur locavi extra communionem et habitationem caeterorum civium, et ne a pejoris turbae insolentia facile turbarentur, muro eos (2) circumdedi. [...]
(1) melius (2) eosdem
Regesta Badensia. Urkunden des Grossherzoglichen Badischen General-Landes-Archives von den aeltesten bis zum Schlusse des zwoelften Jahrhunderts, die im Drucke bereits erschienenen nach ihrem wesentlichen Inhalte mit Anzeige und kurzer Wuerdigung der vorzueglichen Abdruecke, die noch ungedruckten und diesen gleich zu achtenden in einem Anhange mit ausfuehrlichem Texte nebst Erlaeuterungen, Ergaenzungen, Berichtigungen und zwey Registern. Von Dr. Carl George Dümgé, Carlsruhe, Druck und Verlag der G. Braun’schen Hofbuchhandlung, 1836, S.113, Nr.62. Online verfügbar bei der Universitätsbibliothek Freiburg.
Die gleiche Lesart, mit anderen kleinen Varianten, findet sich bei Remling:
In nomine sancte et individue Trinitatis. Ego Ruodigerus, qui et Huozmannus cognomine, Nemetensis qualiscumque episcopus. Cum ex Spirensi villa urbem facerem, putavi milies amplificare honorem loci, si et iudeos colligerem. Collectos igitur locavi extra communionem et habitacionem ceterorum civium, et ne a peioris turbe insolencia facile turbarentur, muro eos circumdedi, [...]
Urkundenbuch zur Geschichte der Bischöfe zu Speyer, von Franz Xaver Remling, (Aeltere Urkunden.), Mainz, Kirchheim und Schott, 1852, S.57f., Nr.57 Online bei der Universitätsbibliothek Heidelberg.
Kommentar zu den Editionen:
Offensichtlich haben Würdtwein und Dümgé das Mittellatein auf das Klassische Latein hin verbessert, wie man an zahlreichen Stellen sehen kann., Hilgard und Remling lassen das Original, unterscheiden sich aber in der Lesart pecoris / peioris.
Faksimilé der Handschrift aus dem Codec minor Spirensis von 1281.
Es ist die älteste erhaltene Kopie mit dem Text der Urkunde, also 200 Jahre jünger als ihre Entstehung.
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